Gehirnrindenkribbeln

Textprobe

 

echo self
set current dir
find master

Er hatte lange danach gesucht. Dann, auf einer mittelmässig interessanten Fahrt mit dem Bus auf dem Nachhauseweg vom Tabakholen wurde es ihm klar. Eine gewisse Art von Leichtigkeit kehrte in ihn zurück. Nicht die gleiche Art wie damals, aber ähnlich, vergleichbar, kongruent.
Es hatte etwas mit Vollkommenheit zu tun. Und mit einem Riss im Universum, mit der Spinne, die von der Kugel gesprungen ist.

Mauritius Niederhol war Anfang dreissig und ein sogenannter 'Nerd'. Er war Single und vereinigte verschiedene Rollen in seiner Person: Student der K.I., Mieter, Sohn, Gemeindemitglied, Webmaster, Vorbild und abschreckendes Beispiel, um nur einige zu nennen. Er war ein Produkt der Achtziger Jahre das sich in den Prototypen der Zielgruppe der Dienstleistungsgesellschaft des einundzwanzigsten Jahrhunderts verwandelt hatte. Er schrieb, das hatte er als Gabe begriffen. Manche sagten, er sei ein wenig unstrukturiert und Disziplin war gewiss nicht seine Stärke. Das Expose ́ zu seinem ersten Buch lag seit Jahren in der untersten Schreibtischschublade, dort wo er auch immer sein Gras aufbewahrte. Er liess es liegen und dachte, wenn die Zeit reif ist, beginne ich. Die Maschine war nichts als ein Werkzeug, das war ihm klarer denn je. Was ihn jedoch immer wieder zum Erstaunen brachte, waren die schier unendlichen Möglichkeiten, die sich durch sie eröffneten. Nun war die Zeit reif, das war es, was ihm im Bus klargeworden war. Er setzte sich vor den Rechner, stöpselte das Telefon aus, kochte sich einen Kaffee und begann. Die Zeit und der Raum begannen zu verschwimmen und Bilder aus seiner Vergangenheit behinderten, nein, beflügelten ihn.

Sie sind alle tot.
Auch die Kakerlaken.
Bis auf eine.

  Er schrieb es nieder. Dann hatte er eine Idee für sein aktuelles Forschungsprojekt, die Implementation eines Entscheidungskriterium-Unterscheidungsalgorithmus. Um das Script zu testen, musste er sich mit seinem gemieteten Root-Server mit Hilfe eines Protokolls namens ssh
verbinden. Er loggte sich ein.

get profile from target language

Das Kommando war abgefeuert. Nichts konnte mehr dagegen getan werden.
Als er überlegte, wie er seine Motivation seinem Professor erklären würde, stockte ihm der Atem.
Würde er überhaupt seine Sprache sprechen ? Die Antwort kam nicht sofort.
Er würde mehr Bücher brauchen. Sein Werkzeug war physisch die Tastatur und psychisch der Geist. Der Grund, warum er das alles tat, lag ausserhalb seiner selbst.
      Ernährung war nicht gerade das, auf das Maurie am meisten Zeit verwendete. Am Telefon meldete er sich immer unterschiedlich, der blaue Mauritius oder katholischer Autofriedhof von New York oder Krematorium Bielefeld-Gadderbaum, je nach Tageszeit und aktueller Kommunikationslaune. Er war das, was man einen genialen Idioten bezeichnet hätte, klänge es nicht so paradox. Das Ziel, sein grosses Ziel an der Universität war es, der Maschine Bewusstsein zu implementieren, das heisst einzupflanzen. Jeder wusste, dass es unmöglich ist, und doch gab es noch einige kühne Forschungsleiter, die den zuständigen Kultusministerien das benötigte Budget aus der Hüfte leierten. Man forschte heutzutage lieber über die Optimierung von verschiedenen Bildschirmauflösungen oder über Barrierefreiheit. Sein Professor war Däne und während des Studiums hatte sich eine schon fast väterliche Beziehung zwischen ihnen entwickelt. Niels Bohr und James Clerk Maxwell pflegten zwei beliebte Zitatelieferer für die Vorlesungen zu sein. Maurie ging nur noch hin, wenn ihm die Vorlesung vorher per email empfohlen wurde, den Rest der Zeit verbrachte er im Rechnerraum, in der Bibliothek oder wo man sonst im Studium so rumhä̈ngt.

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